Astronomie auf dem Flakturm Esterhazypark in Wien

Seit 1962 wieder eine Großführung - zur Sonnenfinsternis 2011 01 04

Von Prof.Hermann Mucke, Astronomisches Büro, Wien (aus dem Sternenboten 1/2011).

Flaktürme in Wien und Flakturm Esterhazypark

Ab 1943 wurden in Wien drei Flakturmpaare errichtet. Jedes Paar bestand aus einem Leitturm mit 4,0m Entfernungsmesser, Funkmeßgerät "Würzburg-Riese", Flakscheinwerfer und Rechengerät sowie einem Gefechtsturm mit 4 Zwillings Flakgeschützen 12,8cm. Zusätzlich stand leichte Flak auf den Rondellen der Türme. Der Leitturm Esterhazypark hat eine Verdeckhöhe von 46,6m über dem Park und einen rechteckigen, N/S orientierten Grundriß von 31,0mx18,8m. Eine Galerie von 3m Innenbreite mit Rondellen von 6,0m Durchmesser an den Ecken umläuft den Turm in 35m Höhe. Das Verdeck mit Kreisplattform 8m Durchmesser und Rechteckplattform liegt 46,6m über dem Park [1].

Geographischer Ort: 16°21'33" E / 48°11'53"N / 230m (Adria). Der Ort erhielt den Namen Fritz Grünbaum Platz 1. Die Geschichte des Turms ist in einer Bilderschau des Historikers Dr.Marcello La Speranza im Stiegenhaus bewahrt.

Zwischen zwei Sonnenfinsternissen

Vom 27.Juni 1954 bis zum 11.Februar 1962 gab es am Flakturm Esterhazypark in Wien 6, Mariahilf, himmelskundliche Veranstaltungen. Seit 1957 beherbergt er das gemeinnützig, wissenschaftlich geführte und steigend erfolgreiche "Haus des Meeres - Aqua Terra Zoo". Ab etwa 1960 befand sich dort auch ein Jugendklub, im Zuge dessen es zu einem selbst verschuldeten tödlichen Sturz kam. Der Österreichische Alpenverein, die Sektionen Edelweiß und Austria, benützen die Süd- und Westwand als Kletterwände.

Im Sommer 2010 wurde dem Österreichischen Astronomischen Verein vom Haus des Meeres überaus entgegenkommend gestattet, die niedrig über der Stadt beginnende Sonnenfinsternis am Morgen des 4.Januar 2011 vom Flakturm aus - und daher zur Gänze - mit Sonderführungen an Fernrohren und im dortigen Vortragssaal der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.

Damit wird an die himmelskundliche Flakturm-Tradition angeschlossen, denn ganz ähnlich wurde dort am 30.Juni 1954 mit der totalen und in Wien zu 82% partiellen Sonnenfinsternis der öffentliche Führungsbetrieb begonnen. Vorausgegangen war am 27. Juni der Eröffnungsvortrag des Direktors der Wiener Universitäts-Sternwarte, Univ.-Prof.Dr.Josef Hopmann, über "Wandlungen des astronomischen Weltbildes". Die bildnerische Nutzung des Flakturmes Esterhazypark mit einer Stadtrundschau und der "Astronomischen Volksbildungsstelle Flakturm" ist der damals benachbarten Volkshochschule Wien-West unter ihrem rührigen Direktor Ing.Wilhelm Krieglstein zu danken, dem dies - damals noch von der französischen Besatzungsmacht - gestattet worden war,


Abb.1, 2: Flakturm Esterhazypark 1955 von Südwesten; Rondell.

Betrieb und Ausstattung

Es gab intensiven himmelskundlichen Bildungsbetrieb und Stadtrundschauen. Grundsätzlich wurden Beobachtungen des rundum unbehinderten Nachthimmels mit freiem Auge und Fernrohren von 8-22cm Durchmesser geboten. Zum Einblick war höchstens eine Trittstufe nötig. Dazu wurden ergänzende Lichtbilder gleichzeitig auf eine Wand der Kreisplattform projiziert. Am Tag gab es Sonnenbeobachtungen. Ein spezieller Heliostat entwarf ein Sonnenbild von 40cm Durchmesser mit Randabdunklung, Flecken, Granulation und Fackelgebieten sowie ein 1m langes Sonnenspektrum mit vielen Absoptionslinien auf der Leinwand des Vortragsraums. Eine Quecksilberdampflampe sorgte für Emissionslinien.


Abb.3: Flakturm-Eingang.

Recht eindrucksvoll waren auch die tägliche Bewegung und der Sonnenuntergang, z.B. hinter der Jubiläumswarte. Die Steuerung des Heliostatenspiegels erfolgte mit einer von der Firma Siemens gespendeten Telephonanlage. So hörte der Assistent am Spiegel den Vortrag mit und sah über ein Spiegelchen am Objektivrand die Feldblende, in die er einstellen konnte.


Abb.4: Kreisplattform mit Schutzbau.


Abb.5: Heliostaten-Kopf

Planspiegel mit Feinbewegungen in Azimut sowie Höhe. Am Unterrand ist das Einstellspiegelchen erkennbar. Das Objektiv 3/250cm lag im eingesetzten, unsichtbaren Kopfteil.


Abb.6: Heliostaten-Bank

Sie hing unter der 60cm starken Decke des Raumes unterhalb der Rechteckplattform und trug den 45°-Ablenk-Spiegel sowie den drehbaren Sektor für die Feld- und die im Bild eingeschwenkt gezeigte Spaltblende. Die Optik, die das Sonnenbild bzw. den Spalt abbildete, war (wegen der langen Brennweiten) zugleich Kollimator. Am Ende der Bank befand sich der drehbare, im Bild eingeschwenkte Prismen-Sektor mit dem 45°-Prisma und dem angeschlossenen Totalreflex-Prisma, welches das Spektrum in den Nebenraum unter der Kreisplattform auf die dortige Projektionsfläche leitete. Bei Sonnenprojektion war der Prismen-Sektor natürlich ausgeschwenkt. Zwischen Spaltblende und Ablenkspiegel konnte eine Quecksilberdampflampe zur Demonstration von Emissionslinien eingesetzt werden. Der Gesamtlichtweg war 18m lang.


Abb.7: Kometensucher Zeiss C8/50cm und Projektionsfläche an der Wand der Kreisplattform. Der Tisch schützte das Fernrohr bei Gedränge und war die Basis des abrollbaren Schutzkastens.


Abb.8: Kometensucher 8/50cm im Tisch, darunter Diaprojektor.
Abb.9: Newton 22/126cm mit 3cm Durchmesser Winkel-Kontrollsucher.

Dieser vorzügliche Newton-Spiegel, dessen Hauptspiegel und Rohr Kurt Streiter gefertigt hatte, war das größte Instrument am Flakturm. Die horizontale Montierung war eine Art Vorläufer des "Dobson", jedoch bei Gedränge wesentlich robuster. Der Schutzbau dieses Instruments war eine Seitennische, die abgedeckt und mit einer Klapptüre versehen worden war. Das Instrument konnte in jede der beiden Plattformen gerollt und dort fixiert werden.

Weitere Instrumente waren tragbar und wurden bei Bedarf auch auf den Rondellen eingesetzt: Newton 12/95cm von Streiter, sowie Linsenrohre 4/59cm und 3/35cm. Leihgaben der Universitäts-Sternwarte waren ein Übungs-Universal Kroneis II von 4cm Durchmesser, und ein Plössl-Refraktor 10/135cm in horizontaler, hölzerner Dreifußmontierung, der bei Stadtrundschauen verwendet wurde. Sein defektes Okular wurde ersetzt.

Räume unter den Spitzenplattformen

Im Raum unter der Kreisplattform gab es einen Saal mit Projektionswand und 30 Klappsesseln und im Raum, wo sich ehemals der Kommandostand des Turms befand, einen kleineren mit 15 Klappsesseln ("US Army"). Im Raum unter der Recheckplattform war das Büro der Volksbildungsstelle untergebracht. Dort war eine zeitlang auch ein Windgeschwindigkeitsmesser der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik.

Veranstaltungen, Vortragende und Besuch

Von 1954 bis 1962 gab es insgesamt: 1175 Veranstaltungen, 31338 Gäste, 26,7 Gäste/Veranstaltung.

28% Stadtrundschau: 324 Veranstaltungen, 12218 Gäste, 37,7 Gäste/Veranstaltung.
72% Himmelskunde: 851 Veranstaltungen, 19120 Gäste, 22,5 Gäste/Veranstaltung.

Besondere Veranstaltungen waren die vom 26., 27. und 29.April sowie 13.Mai 1957 mit 465, 368 und 283 sowie 340 Gästen anläßlich des Kometen 1957 III = C/1956 R1 = Arend Roland. Aus ihrem Erlös wurde die Elektroinstallation des Turmes verbessert.

Vortragende (Titel weggelassen):
Von Kuffner-Sternwarte: A.Bracic, W.Jaschek, A.Riess, Weber / Von Univ.-Sternwarte: J.Hopmann, K.Ferrari d'Occhieppo, A.Purgathofer, T. Widorn / H.Ellenberger, G.Janauer, L.Jurenka, T. Morawa, H.Mucke, M.Oswalden, P.Patek, P.Vychytil, W.Weiss [2,3,4].

1955 wurde ich von der Volkshochschule Wien-West zum Leiter am Flakturm bestellt. 1962 besuchte Vizebürgermeister Hofrat Hans Mandl mit zwei Herren inkognito eine Führung und holte mich daraufhin in das gerade in Errichtung befindliche Wiener Planetarium für dessen fachliche Führung. Danach endete der himmelskundliche Betrieb am Flakturm. Das Lehr-Universal wird im Astronomischen Büro verwahrt und wurde 1997-1999 beim Bau des Freiluftplanetariums Sterngartens Georgenberg verwendet. Der Plössl-Refraktor kam zunächst ins Planetarium und dann zurück auf die Universitäts-Sternwarte. Der 22cm- und 12cm-Newton Spiegel ging an K.Streiter und die anderen Geräte an mich zurück. Der Heliostatenkopf kam an das Schottengymnasium.


Abb.10, links: Flakturm, von Osten, vor 1955 mit Würzburg-Riese.
Abb.11, rechts: Flakturm von Süden (Zubau Haus d.Meeres) 2003.

Dank

Besonders danken möchte ich allen, die mir 1955-1962 am Flakturm geholfen haben, besonders Kurt Streiter und seiner Familie und den damals jungen Freunden Ludwig Jurenka, Dr.Peter Locatin, Ing.Theodor Morawa, Dipl.Ing.Dr.Peter und Karl Patek. Darunter ist einer am 4.Januar bei den Führungen zur partiellen Sonnenfinsternis als Führender auch "auf den Flakturm zurückgekehrt" - Dr.Locatin! Näheres zu den Führungen siehe Seite 24.

Literatur

[1] Hauptner, R.: Zur Baugeschichte der Flaktürme in Wien. Wie- ner Geschichtsblätter, 57.Jg., Heft 2, p.107-136. Verein für Geschichte der Stadt Wien, 2002.
[2] http://www.austriaca.at/sternwarten/, Astronomische Volksbildungsstelle Flakturm, (H.Mucke) Stand 2003.
[3] Mucke, H.: Astronomische Volksbildungsstelle in Wien. Die Sterne, 33.Jg., Heft 7-8, p.164-166. J.A.Barth, Leipzig 1957.
[4] Astronomische Volksbildungsstelle Flakturm, Führungsbuch, Astronomisches Büro, Wien
Bildnachweis: Bild 1: Dr.Martin Jourez, 10 Landesbildstelle Wien. 11 "Austriaca, OEAW", übrige Privatbesitz H.Mucke.

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