50 Jahre Kommission für Astronomie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Von Univ.-Prof.Mag.Dr.Dr.h.c.Helmut O.Rucker, Kommission für Astronomie, Vorsitzender. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Graz (aus dem Sternenboten 12/2017).

Die Kommission für Astronomie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften feierte am 14. November 2017 in einem Symposium ihr 50-jähriges Bestehen, welches geprägt war von zahlreichen wissenschaftlichen Aktivitäten, aber auch von umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit. Die vorliegende Abhandlung stellt im ersten Teil einen kurzen Abriss "historischer" Ereignisse, sozusagen einige "Highlights" aus den vergangenen fünf Jahrzehnten dar. Der zweite Teil befasst sich mit den Errungenschaften in den letzten Jahren nach der Neugründung im Jahr 2013 und der dritte und letzte Teil beschreibt einige Aspekte der geplanten Tätigkeiten und Ziele für die Zukunft.

1. Ausgewählte Ereignisse seit der Gründung der Komission

Die International Astronomical Union (IAU) trat in einem Brief 1955 an die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) heran, in dem die Aufnahme Österreichs als Mitglied in die IAU angeregt wurde. Es kam zur Bildung eines österreichischen nationalen Komitees mit Oberguggenberger als wirklichem Mitglied (wM) als Leiter der IAU-Delegation. Es wurde der Wunsch nach einer engeren Zusammenarbeit der österreichischen Astronomen geäußert, eine Institution zu schaffen, innerhalb der in regelmäßigen Treffen IAU-Angelegenheiten, Studienlehrpläne und wissenschaftliche Fragen erörtert werden können. Am 21. November 1966 kamen der damalige Präsident der ÖAW w.M. Schmid, w.M. Hopmann und Ferrari als Korrespondierendes Mitglied (kM), sowie die Professoren Fuchs (Innsbruck), Mathias (Graz) und Meurers (Wien) zu einer Sitzung zusammen, mit dem einzigen Verhandlungsgegenstand der Gründung einer Astronomischen Kommission, die danach am 3. März 1967 offiziell bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eingesetzt wurde. Als Obmann wurde mit absoluter Mehrheit der (damalige k.M.) Ferrari d'Occhieppo gewählt und in der anschließenden Klassensitzung der math.-nat. Klasse der ÖAW bestätigt. Die Astronomische Kommission wurde somit vor 50 Jahren gegründet und 1992 umbenannt in "Kommission für Astronomie".

Wie alle Kommissionen wurde auch die Kommission für Astronomie in der ÖAW per 31.12.2012 geschlossen, allerdings per Antrag am 01.04.2013 neu eingesetzt. In diesen fünf Jahrzehnten stand die Kommission unter der Leitung der folgenden Obmänner:

In die Zeit von w.M. Ferrari fiel das Kopernikus-Jubiläum, nämlich der 500. Geburtstag des Astronomen im Jahr 1973. Unter dem Titel "Das Werden eines neuen astronomischen Weltbildes im Spiegel alter Handschriften und Druckwerke" wurde eine Ausstellung, welche im Wesentlichen von k.M. Hamann (phil.-hist. Klasse) und w.M. Ferrari d'Occhieppo gestaltet wurde, am 25. Mai 1973 im Prunksaal der Nationalbibliothek in Wien feierlich eröffnet. Im Bereich der wissenschaftlichen Arbeit stand ein Großereignis weltweit im Sommer 1973 im Mittelpunkt des astronomischen Interesses: die totale Sonnenfinsternis vom 30. Juni 1973. Unter der Gesamtleitung von (damals k.M.) Haupt, Mitglied der Astrono-mischen Kommission, reisten zwei Expeditionen zur Beobachtung nach Afrika, und zwar nach Mauretanien und nach Kenia. Im Programm standen astronomische und sonnenphysikalische Messungen, aber auch meteorologische Untersuchungen.

Ein neues Beobachtungsprogramm wurde 1975 von den beiden Kommissionsmitgliedern Prof. Haupt (Graz) und Prof. Pfleiderer (Innsbruck) am 76cm-Teleskop des Observatoriums am Jungfrau-joch (Schweiz) initiiert. Dieses Programm hatte zum Ziel, mittels lichtelektrischer Photometrie lichtschwache Sterne an die Skala des internationalen Helligkeitssystems anzuschließen, ein Vorhaben, welches beste Luftreinheit und ein geeignet großes Teleskop erforderte. Die Astronomische Kommission sowie der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ermöglichten die Durchführung dieses Programmes.

Im Frühjahr 1977 fand am Joanneum in Graz die Regiomontanus-Ausstellung statt, deren Betreuung in den Händen von (damals k.M.) Haupt lag. Regiomontanus, der "Königsberger" (1436-1476) und sein Lehrer Georg von Peuerbach waren die bedeutendsten Vertreter der Wiener astronomischen Schule, in gewisser Weise Wegbereiter von Kopernikus. Die Exponate der Joanneum-Ausstellung wurden hauptsächlich vom Nürnberger Nationalmuseum sowie aus Beständen des Joanneums und der Universitätsbibliothek Graz beigestellt.

Die über mehr als zwei Jahrzehnte währende Führung der Astronomischen Kommission von w.M. Ferrari d'Occhieppo war demnach geprägt von reger wissenschaftlicher Tätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit. Unter der neuen Leitung von w.M. Haupt (ab 1992) konzentrierte sich die wissenschaftliche Tätigkeit der (neu benannten) "Kommission für Astronomie" auf die Erforschung der Sonne und der sogenannten "kleinen Planeten". Die Sonnenforschung wurde und wird nach wie vor ganz wesentlich geprägt von den Beobachtungen am Observatorium Kanzelhöhe in Kärnten auf 1526 m Seehöhe. Bereits im Herbst 1941 wurde mit dem Bau des Observatoriums begonnen und 1993 hat das Sonnenobservatorium Kanzelhöhe sein 50-jähriges Bestandsjubiläum gefeiert. Mit der Kommission für Astronomie hat das Observatorium enge Kontakte, vor allem in Bezug auf den Austausch von internationalen Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, aber auch über Finanzierungsbeiträge seitens der Kommission, die insbesondere die Datenarchivierung unterstützt. Aber auch finanzielle Beiträge der ÖAW zur instrumentellen Ausstattung haben die elektronische Datenspeicherung zur Sonnenüberwachung ermöglicht.

Die ein Jahrzehnt währende Kommissionsführung von w.M. Haupt wurde von w.M. Pfleiderer abgelöst, welcher die Kommission im Jahr 2002 geleitet hat. Unter der ab 2003 erfolgten Kommissionsleitung von k.M. Breger wurde ein neuer wissenschaftlicher Bereich, nämlich die Asteroseismologie relevant. Das Wissenschafts-Journal "Communications in Asteroseismology" wurde im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der math.-nat. Klasse mit Breger als Herausgeber publiziert. Die Resonanzfrequenzen eines Sterns hängen von Masse und Struktur ab, somit können aus den beobachteten Schwingungen in der Helligkeit Rückschlüsse auf die Schwingungsmoden von Sternen bzw. auf deren inneren Aufbau gewonnen werden.

Der Beitritt Österreichs zur ESO (European Southern Observatory) im Jahre 2008 war ein ganz bedeutender Schritt für die Astronomie und Astrophysik, durch den die österreichischen Astronomen (und damit eine Reihe von Kommissionsmitglieder) Zugang zu den weltgrößten und leistungsfähigsten Teleskopen und Instrumenten bekommen haben. Die Kommission für Astronomie hat unter der Leitung von k.M. Breger im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit relevante Akzente gesetzt. So wurden z.B. die "Littrow Lectures" 2011/2012 initiiert, in denen exzellente Wissenschaftler aus dem Ausland für Vortragsabende im Festsaal der ÖAW eingeladen wurden. Weiters wurde ein Publikationsprojekt besonderer Qualität seitens der Kommission für Astronomie finanziell gefördert, nämlich die elektronische Katalogisierung des historischen Bestandes der Universitätssternwarte Wien sowie die Digitalisierung ausgewählter – vor dem Jahr 1800 gedruckter – Bücher.

2. Die neue Kommission für Astronomie ab 2013

Nach der Schließung der Kommission für Astronomie per 31. Dezember 2012 wurde mit der Konstituierenden Sitzung am 22. Mai 2013 die Kommission für Astronomie an der ÖAW neu etabliert und als Obmann k.M. Rucker gewählt. Als "Mission Statement" wurden die folgenden Richtlinien festgelegt:

Die Kommission für Astronomie sieht im Themenfeld der Astronomie, der Astrophysik und Weltraumforschung als wesentliche Aufgaben

Die Koordination des wissenschaftlichen Austauschs zu nationalen Vereinigungen (z.B. Österreichische Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik ÖGAA) sowie zu internationalen Institutionen und Unionen (z.B. International Astronomical Union IAU, Astronomische Gesellschaft AG, Astronomy & Astrophysics A&A, European Association for Solar Telescopes EAST) soll gepflegt und intensiviert werden. Im Rahmen der Koordination der Forschungskooperation setzt sich die Kommission für Astronomie zum Ziel, aus der in Österreich vorhandenen Expertise im Bereich der Astrophysik und Weltraumphysik ein Wissenschaftsnetzwerk aufzubauen mit dem zentralen Vorhaben, aktuelle Forschungsfelder zu identifizieren, die von den Forschungsgruppen der Astrophysik der Universität Wien, der Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck, der Astrophysik der Universität Graz (IGAM), der Weltraumforschung der ÖAW in Graz und der Lithosphärenforschung der Universität Wien in kooperative Großprojektanträge umgesetzt werden können.

Die Förderung der Offenheit der Gesellschaft gegenüber Wissenschaft und Technologie in den genannten Bereichen wird zusätzlich durch Öffentlichkeitsarbeit (Medien, Bildungseinrichtungen, Littrow Lectures, "Science goes School") verstärkt. Im Bereich der Koordination des wissenschaftlichen Austausches und der Forschungskooperation wurden in einer Reihe von Workshops wissenschaftliche Teilbereiche der Astrophysik erörtert und einer kritischen Betrachtung für ein gemeinsames Kommissionsprojekt unterzogen. Dies führte zur Erarbeitung eines SFB-Projektes (Spezialforschungsbereich) unter dem Titel "From collapsing clouds to planetary systems: Deciphering the star and planet formation DNA", welches kürzlich beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) eingereicht wurde. Weitere Forschungskooperationen betreffen das Institute of Radio Astronomy der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften in Kharkov (IRA NASU, Ukraine), wobei Beobachtungen der Radioemissionen im Dekameterwellenbereich (z.B. Sonne, Jupiter, Saturn) sowie Simultanmessungen der bodengebundenen Radioteleskope mit Raumsonden (z.B. STEREO, Cassini, JUNO) im Fokus der Forschungsaktivitäten stehen. Auch eine Kooperation mit dem Observatory Konkoly der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Budapest) hat das Thema der numerischen Modellierung von protostellaren Scheiben zum Inhalt.

Im zweiten Aufgabenbereich, nämlich der Wissenschaftsvermittlung an die Öffentlichkeit, wurden die Littrow Lectures 2013/14 wieder durchgeführt. Im Rahmen dieser Veranstaltungsserie fanden im Festsaal der ÖAW sechs Vorträge herausragender internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz und den USA statt. Die Öffentlichkeit wurde unter anderem über den neuesten Stand der Erforschung unseres Sonnensystems, der Exoplaneten außerhalb unseres Planetensystems und über die Dunkle Materie im Universum informiert. Bereits im Jahre 2002 wurde die Summer University "Graz in Space" als kompakte Wissensvermittlung für die Öffentlichkeit ins Leben gerufen und konnte seitens der Kommission für Astronomie 2016 zum bereits 8.Mal als zweitägige Veranstaltung mit über 20 populärwissenschaftlichen Vorträgen im Programm die Kometenmission Rosetta, die Saturn-Mission Cassini/Huygens, die Physik der Exoplaneten sowie die Plasmawelten der Astrophysik der interessierten Öffentlichkeit vorstellen.

Weitere Aktivitäten im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wurden in der "Langen Nacht der Forschung" (April 2016) am Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien in Kooperation mit der Kommission für Geowissenschaften durch Vorträge des Direktors des NHM, w.M. Köberl und des Autors dieses Berichtes gesetzt. Eine sehr bedeutende Veranstaltung war das Symposium "60 Jahre Internationales Geophysikalisches Jahr" am 18. Oktober 2017, ebenfalls gemeinsam organisiert mit der Kommission für Geowissenschaften, mit Gästen aus Deutschland, Russland und auch Österreich, welche in ausführlichen Vorträgen die Entwicklung seit dem denkwürdigen Geophysikalischen Jahr 1957/58 mit dem Start des ersten Satelliten Sputnik bis zur Jetztzeit präsentierten. Besonderes Interesse gefunden hatten demnach die Ausführungen von Prof. Zelenyi, Direktor des Weltraumforschungsinstitutes IKI in Moskau.

Als ganz wesentlich wird die Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik (ÖGAA) gesehen, welche unter der Leitung von Prof.Manuel Güdel (Institut für Astrophysik der Universität Wien) steht. Diese Kooperation nimmt an Bedeutung zu bei der Erarbeitung eines sogenannten "White Book für Astronomie in Österreich", wie noch unten ausgeführt wird.

3. Ausblick auf die nahe Zukunft

Die Evaluation der Kommission für Astronomie hatte 2015 ein äußerst positives Ergebnis erbracht und so wurde die Wirkungsperiode der Kommission vorerst bis März 2019 verlängert. Das Ziel ist es, zeitlich darüber hinaus aktiv zu bleiben und die in der Zwischenzeit getätigten Aktivitäten sprechen durchaus für sich. Im jüngst stattgefundenen Symposium "50 Jahre Kommission für Astronomie" (14. November 2017) wurden in etwa 20 Vorträgen der Stand der Forschung im Bereich der Astronomie, Astrophysik und Weltraumforschung in Österreich der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Im ersten Teil des Symposiums wurden astrophysikalische Themen präsentiert, z.B. "Circumstellar disks and the early stages of star and planet formation", "Exoplaneten: Von der Ent-wicklung zur Habitabilität", "Dynamische Entwicklung von Planetensystemen und ihr Einfluss auf die Habitabilität".

Im zweiten Teil war die Weltraumforschung vertreten mit Präsentationen wie z.B. "Entwicklung und Evolution der Atmosphären von Venus, Erde und Mars", "Planetare und solare Radioastronomie", und "Österreichisches Weltraum-Magnetometer". Der dritte Teil befasste sich letztendlich mit der Thematik der Beobachtungsmöglichkeiten und der Teleskope wie z.B. "Aktuelle Sonnenbeobachtungen und -forschungen am Observatorium Kanzelhöhe", "Das European Solar Telescope" und "The Austrian contribution to the European Extremely Large Telescope".

Der entscheidende Aspekt betraf jedoch die Einordnung dieser Forschungsaktivitäten und Vorhaben in Bezug auf zukunftsträchtige und wissenschaftlich nachhaltige Bereiche und deren Sichtbarkeit. Das Symposium hatte demnach dazu gedient, die Initiative für die Erstellung eines sog. White Book der Astronomie in Österreich zu setzen. Die Zukunftstrends und Perspektiven sollen in weiteren Workshops im Jahre 2018 näher definiert werden.

Ein besonderer Höhepunkt in der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und der IAU wird die im August 2018 in Wien stattfindende IAU General Assembly sein, initiiert durch die ÖGAA bzw. durch das Kommissionsmitglied Prof. Hensler (Institut für Astrophysik der Universität Wien). Diese Generalversammlung wird von der Universität Wien als offizielle Veranstalterin organisiert. Die ÖAW beteiligt sich an der Vorfinanzierung im Rahmen eines speziellen Kooperationsabkommens mit der Universität. Damit fungiert die Kommission als ideelle Unterstützerin dieses wichtigen Anlasses.

Im vorliegenden Bericht konnten naturgemäß nur Teilbereiche der Aktivitäten der Kommission für Astronomie in der Wissenschaft, in der Wissenschaftskoordination, und in der Öffentlichkeitsarbeit dargestellt werden. Ausführliche Informationen sind auf der Website der Kommission unter https://www.oeaw.ac.at/astro einsehbar und zeigen die Lebendigkeit und Aktualität dieser Kommission in vielfältiger Weise.


Homepage Astronomisches Büro:
E-Mail: astbuero@astronomisches-buero-wien.or.at