Meteoritisches Großereignis bei Tscheljabinsk, Rußland

Von Dr.Jiri Borovicka, Dr.Pavel Spurny und Dr.Lukas Shrebeny, Astron.Institut d. Tschechischen Akademie d. Wiss., nach CBET 3423 und russischen Informationen.
Mit Bericht zu UNOOSA Active NEO Team, OOSA

aus dem Sternenboten 3/2013

Die Autoren ermittelten die Flug- und die Raumbahn des Superboliden vom 15.Februar 2013, 3h20 UT, der Zerstörungen in Tscheljabinsk anrichtete. Sie benützten sieben Zufalls-Videoaufnahmen, die provisorisch mit den Google Map tools ausgewertet wurden. Die Flugbahn wurde linear angenommen. Hier fünf ausgewählte Punkte:

Relative    Geogr.  Geogr.  Höhe    Geschwindig-    Anmerkung
Zeit (s)    Länge   Breite    km    keit km/s       Registrierg.

00,00       64,266° 54,508° 91,83   17,5            Anfang Reg.
09,18       61,913  54,788  41,02   17,5            Klein.Ausbr.
11,20       61,455  54,836  31,73   17,5            Größ.Ausbr.
12,36       61,159  54,867  25,81   17,5            Ausbruch
13,20       60,920  54,891  21,05   12,5            Klein.Ausbr.
16,20       60,606  54,922  14,94    4,3            Ende Reg.

Die beobachtete Flugbahn war 254km lang, das Azimut der Flugbahn war 279,5° und die Neigung am Endpunkt war 16,5° gegen waagrecht. Die Unsicherheit im Radianten (Richtung aus der das Objekt kam) betrug etwa 1° und die Unsicherheit in der Flugbahn machte 1km am Anfang und bis zu 4km am Ende aus.

Der Meteoroid war vor dem Eintritt relativ brüchig. Starke Teilung begann bei 32km Höhe und dem dynamischen Druck von 4MPa. Die Masse des größten Bruchstückes, das im Tschebarkul See landete, wird auf 200-300kg geschätzt. Einer oder zwei Meteo-rite von einigen Zehntel kg könnten nicht weit entfernt vom Dorf Travniki und ein Stück könnte nordwestlich von Shchapino eingeschlagen sein. Zahlreiche kleine Fragmente können in einem weiten Band etwa 5km südlich der Flugbahn erwartet werden, meistens zwischen 60,9° und 61,35°.

Die Druckwelle, die Tscheljabinsk stark in Mitleidenschaft zog, entstand zwischen 25 und 30km Höhe. Radiant und heliozentrische Bahn ergeben sich folgendermaßen:
Scheinbarer Radiant (2000,0): Rekt 328,6 ± 1,0°, Dekl +8,0 ± 1,0°, Geschwindigkeit 17,5 ± 0,5km/s.
Geozentrischer Radiant: Rekt 334m7 ± 1,2°, Dekl –1,0 ± 1,4° Geschwindigkeit 13,2 ± 0,7km/s.
Raumbahn: a = 1,55 ± 0,07AE, e = 0,50 ± 0,02, q = 0,768 ± 0,011AE ± = 109,7 ± 1,8° ± = 326,41° i = 3,6 ± 0,7° (2000,0)

Diese Angaben erlauben keine Bestimmung der Anfangsmasse des Objektes vor dem Eintritt in die Atmosphäre; die Bahn wird zukünftig noch verbessert werden können, falls Kalibrierungen der Videos vor Ort erfolgen sollten.

Blendendes Licht mit Schattenwurf wurde besonders im Gebiet von Tscheljabinsk (61°24É / 54°09´N), Orenburg, Bashkortostan, Sverdlovsk und Tyumen (Russland) sowie in der Provinz Aktobe und Kostanay (Kazakhstan) wahrgenommen.


Abb.1: Leuchtbahn des Meteoroiden südlich über Tscheljabinsk.
Die überraschende Explosion unterbrach die Strom- und Wärmeversorgung, sowie die Telephon-Mobilphonverbindungen. Ein Augenzeuge: "Plötzlich schwankten die Möbel, ich schnappte meine Katze und den Reisepaß und eilte ins Freie". Fast alle Fenster gingen zu Bruch, was bei den Temperaturen von –15 bis – 20°C ein sehr ernstes Problem war. Die Bereichsverwaltung leitete sofort Staatshilfe beim Ersatz der Fenster auf Kosten der öffentlichen Stellen ein. Inzwischen bemühte sich die Bevölkerung, mit Decken und Holz die Fenster soweit als möglich abzuschließen.

Über 3700 Wohnungen, fast 700 Schulen und sonstige Bildungs-anstalten, 69 kulturelle Einrichtungen, 34 Spitäler und Altersheime wurden mehr oder weniger stark beschädigt. Das Dach und Mauern einer Zink-Fabrik wurde zerstört. Glücklicherweise gab es nur 1500 Leichtverletzte, die meisten durch Glassplitter.


Abb.2: Die Rauchspur des Meteoroiden, gesehen von Tscheljabinsk

Die Militärverwaltung des Bereichs verwanlaßte eine weiträumige Suche nach Einschlagspuren und Meteoriten. Sie blieb zunächst erfolglos. Später wurden ein Einschlagloch und Teilchen gefunden:

Abb.3: Kreisrundes Loch von 8m Durchmesser in der Eisdecke des 6km großen Tscherbakul-Sees, der 70km westsüdwestlich von Tscheljabinsk liegt (60°19,8´E / 54°57,5´N). In seiner Nähe wurden kleine schwarze Teilchen entdeckt, die in der Eisdecke lagen und sich als Meteoritenreste herausstellten.

Meteor shower over central Russia, 18.Februar 2013.

Abb.4: Kleine Meteoritenteilchen im Eis des Tschebarkul-Sees. Innenministerium der Bereichsverwaltung von Tscheljabinsk.


Abb.5: Eines der nur bis ca.1cm großen Teilchen in Vergrößerung. Die chemische Untersuchung ergab einen Eisengehalt von rund 10% sowie Anteile von Chrosolit und Sulfit; Chondrit. Dies gab die Russische Akademie der Wissenschaften am 18.Februar bekannt.

Die Hauptmasse des Meteoriten, der das Loch in die Eisdecke schlug, wird am Grund des Sees vermutet. Dort verhindert aber eine 1,5m dicke Schlammschichte wohl jede erfolgreiche Suche.

Das außerordentliche Doppelereignis legt auch nahe, die dies-bezüglichen Bemühungen der Vereinten Nationen zu referieren:

UNOOSA: Arbeitsgruppe "Erdnahe Objekte“

UNOOSA (United Nations Office for Outer Space Affairs, s.Vorheft) dient als Sekretariat der Arbeitsgruppe "Near Earth Objects“ des Scientific und Technical Subcommittees, das 2007 gegründet wurde. Am 15.Feb.2013, dem Tag des russischen Ereignisses und des mit diesem in keinem Zusammenhang stehenden Vorbeifluges von Asteroid 2012 DA 14 stellte UNOOSA ein "Action Team on Near Earth Objects“ als weltweites Asteroiden-Warnsystem vor.

Action Team on Near-Earth-Objects

Das "Action Team on Near-Earth-Objects" wurde 2001 von Committee for Peaceful Uses of Outer Space auf Grund der Empfehlungen der Third United Nations Conference on the Exploration and Peaceful Uses of Outer Space (UNISPACE III) eingerichtet. Das Action Team hat folgendes Mandat:

a) Erfassung des Inhalts, des Aufbaues und der Organisation von laufenden Bemühungen im Feld der Near-Earth Objekte.

b) Feststellung von jeglichen Lücken in der laufenden Arbeit, wo zusätzliche Koordinierung nötig wird oder wo andere Länder oder Organisationen Beiträge machen.

c) Vorschläge zu Verbesserung der internationalen Koordinierung in Zusammenarbeit mit spezialisierten Institutionen.

Das Action Team legte drei Hauptfelder zu Verkleinerung der Bedrohung fest:

a) Entdeckung gefährlicher Asterioden und Kometen und Auswahl jener Objekte, die Maßnahmen erfordern;

b) Planung von Unternehmungen, die auf Ablenkung oder Zerstörung solcher Körper und sowie Schutz der Bevölkerung zielen.

c) sowie Einsatz dieser Unternehmungen, wenn Bedrohung gibt.

Scientific and Technical Subcommittee 2013: Präsentationen 2013:


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